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Griechenland: ein Feld des Konflikts und der Verschiebung des internationalen Gleichgewichts

Die geopolitischen Dimensionen der Entwicklungen in Griechenland Artikel von Rudi Rinaldi (veröffentlicht in der Wochenzeitung „Dromos“, Ausgabe Nr. 117, 26. Mai 2012)

Es sind nicht nur Ängste vor dem Domino-Effekt, die den verschiedenen internationalen Zentren und mächtigen Ländern Angst machen. Es ist nicht einfach eine Sache wirtschaftlicher Turbulenzen oder Schocks, die das weltweite Interesse nähren. Unser Land war und ist im Epizentrum internationaler Rivalitäten und Prozesse. Die Vorstellung, dass irgendein autonomer Prozess die sich entwickelnde Situation vorantreibt, ohne Einmischung in Form von Strategien, Taktiken, Fallen, Umgruppierungen, neuen Bündnissen, Herausforderungen oder doppeltem Spiel der Spieler, wäre deshalb ein Fehler.

Objektiv hat das Wahlergebnis vom 6. Mai ein neues Umfeld geschaffen. Das Scheitern der Staatsführung in Griechenland ist ein Schlag für das Europäische politische Projekt unter dem 'Merkelismus'. Griechenland ist nicht Ungarn (das geographische Zentrum Europas), aber es steht im Zentrum des Geflechts der zentralen Widersprüche des internationalen Systems. Es ist ein Treff- und Verbindungspunkt dieser Widersprüche. Die Situation zu kontrollieren ist von besonderer Bedeutung für die Manipulierung der politischen Entwicklungen. Griechenland ist nicht einfach ein Versuchskaninchen für Taktiken, die, nachdem sie ausgetestet wurden, auch in andere EU-Länder exportiert werden. Es hat auch zentrale Bedeutung als Ort, um die internationalen Beziehungen auszubalancieren. Deshalb ist die Rolle der Staatsführung in Griechenland entscheidend für die geostrategischen Pläne, die sowohl für Europa als auch den östlichen Mittelmeerraum gemacht werden.

Die Volkskraft und das politische Gleichgewicht

Das jüngste und neue Element (und vielleicht von vielen unerwartet) ist das Auftauchen des 'Volksfaktors', der, indem er SYRIZA als seinen Ausdruck auf der zentralen politischen Bühne gewählt hat, eine neue Situation schuf und neuen Anpassungsmaßnahmen für alle auch so schon instabilen Szenarien erzwingt. Da das der Fall ist, macht es Sinn nachzusehen, was die wirklichen Ziele hinter der Rhetorik sind. Wollen die USA die Stärkung eines 'deutschen' Europa? Was ist der Einfluss der neu gruppierten Bündnisse (im weiteren Mittleren Osten und des südöstlichen Mittelmeerraums) auf die Strategien der Vereinigten Staaten, Russlands, Israels und der Europäischen Mächte? In welchem Ausmaß sind die „Märkte“ (und ihre unverhältnismäßigen Wirkungen) von den strategischen Zielen verschiedener Hauptakteure beeinflusst?

Warum sind also all diese Akteure gegen SYRIZA vereint? Und was bedeutet diese neue feindliche Koalition? Was sind ihre Ziele in Bezug auf Griechenland und besonders gegen die Volksbewegung und die Linke?

Unter welchen Szenarien würden sie ihre Bemühungen auf eine Vernichtung der Volksbewegung richten? Sie verfügen über viele Hebel und Mechanismen, für die Unterstützung ihrer Strategien, und nicht nur wirtschaftliche Erpressung. Es wäre naiv zu glauben, dass alles vom Einsatz finanzieller Hebel abhinge. Das politische Element, die politische Kontrolle, einschließlich der Neutralisierung der Linken und einer möglichen Regierung der Linken, ist Bestandteil der Pläne des Feindes und der sich entfaltenden Szenarien der aktuellen psychologischen Kriegsführung. Das koordinierte Sperrfeuer von Angriffen und Druck, das auf SYRIZA ausgeübt wird (das als wahrscheinlicher Sieger der nächsten Wahl angesehen wird) ist der Auftakt bevorstehender Szenarien, dir sich in naher Zukunft entfalten werden.

SYRIZA bedroht das interne politische Gleichgewicht der Kräfte, das von den westlichen Mächten in Griechenland erreicht worden war. Beispielsweise die Erschütterungen in der Eurozone, die politische Reorganisierung in Europa, die Vertiefung der Krise, der G8-Stillstand, die sich entfaltende Amerikanisch--Deutsche Konkurrenz und die Bestrebungen von Russland und China hängen alle mit dem Verlust der politischen Kontrolle über Griechenland in einem kritischen Augenblick zusammen. SYRIZA um jeden Preis Einhalt zu gebieten ist ein entscheidendes Ziel, wie durch den Einsatz geheimer Fallen, kriegsartiger Propaganda, Ausübung von Druck und Erpressung, belegt ist. Ihr erstes Ziel ist, dass SYRIZA nicht die Wahlen gewinnen soll, so dass sie die Politik des 'Memorandums' mit der IWF-EU-EZB-Troika erneuern können. Das würde die Fortsetzung des politischen Gleichgewichts erleichtern, das in den vergangenen zwei Jahren bestand.

Wenn dieser Spielplan nicht klappt, dann wird Druck auf SYRIZA ausgeübt werden, sich innerhalb der Grenzen der Memorandums-Politik zu bewegen mit einigen kleineren Korrekturen. Und wenn das nicht umgesetzt werden kann, dann werden sie in den Händen einer Linksregierung solche „politischen Bomben“ hochgehen lassen wie offenen Bankrott, Ausschluss aus der Eurozone, Ausstieg aus dem Euro usw. Alles mit dem Ziel der raschen Absetzung dieser Regierung und dann der Zerstörung der Linken in Griechenland.

Der akute Konflikt

Die Wiederherstellung des politischen Gleichgewichts in Griechenland und die Anerkennung einer neuen politischen Ordnung wird über den scharfen Konflikt zwischen dem pro – und anti-Memorandum Lager herbeigeführt werden. Eine neue Positionierung der internationalen Kräfte wird auf dem Ergebnis dieses Konflikts beruhen und dem Schock, den es in Europa hervorrufen wird (besonders im östlichen Mittelmeerraum und auf dem Balkan). In diesem kritischen Augenblick sind romantische/naive politische Überlegungen oder starrer Dogmatismus nicht konstruktiv.

Die tatsächliche Macht des Anti-Memorandum-Lagers des Volkes liegt in der Wucht und Dynamik, die es besitzt. Das heißt, die Erfahrung, die wir in zwei Jahren wirklichen Kampfs in unserem Land gewonnen haben und seine aktuelle Umwandlung in ein politisches Zentrum des Interesses. Dieser Prozess hat sein Zentrum um SYRIZA sowie um die Person von Alexis Tsipras.

Zur selben Zeit sieht sich das pro-Memorandum-Lager zersplittert und entlegitimisiert. Seine Unterstützer innerhalb der griechischen Bourgeoisie sind gespalten und ohne ernsthafte politische Reserven. Die Dynamik der Volksbewegung, das ernste Wesen der aktuellen Probleme und der bevorstehende Wahlvorgang stellen eine reale Möglichkeit für die Volksbewegung dar, in der Praxis jegliche schwache Vorbereitung (durch ihre Dynamik), und alle finanzielle/wirtschaftliche Schwäche des Landes (durch eine ungleich größere politische Macht) zu überwinden. Um das in die Praxis zum Nutzen der Volksbewegung umzusetzen, sollte die Politik der Brüche (was eine notwendige Vorbedingung und eine Quelle der Belebung ist) sich eher auf eine Bewertung des politischen Gleichgewichts der Kräfte gründen als auf grob vereinfachenden Voluntarismus.

Der Ernst des Augenblicks (und das was mit dem Wahlergebnis auf dem Spiel steht) erfordert ein Bewusstsein über die internationalen Dimensionen dieses Konflikts. Das heißt ein Verständnis der weitreichenden Bedeutung, die er beinhaltet und dass die äußeren Kräfte nicht einfach „zuschauen“ werden. Sie werden direkt beteiligt sein – aber sicherlich nicht auf Seiten oder bei der Unterstützung der Volksbewegung.

Lasst uns die Botschaft noch einmal hören

Das Memorandum war eine Politik der Eroberung unter einem Europa nach deutscher Art. Jedoch ist die Zerstörung der Eurozone jetzt näher als jemals zuvor. Von jetzt an ist es eine offene Frage, was von dem etwas, das als „Europa“ bekannt ist übrig bleibt oder sogar wie viele „Europas“ wir haben werden (der Norden, der Süden usw.). Es gibt alle Anzeichen dafür, dass Pläne für diese Szenarien vorbereitet werden. Auch wer aus diesen Entwicklungen Nutzen ziehen wird, ist eine offene Frage. Welche politischen Kräfte werden sich stärken oder auf den Plan treten? Die „griechische Besonderheit“ betrifft zuerst und am meisten das Auftreten einer Volksbewegung, die politische Züge bekommt: Eine Bewegung, die mit der Linken verbunden ist und einen Roten Keil im „weichen Unterbauch“ Europas bildet. Alle politischen Strategien und alle Praxis sollte jetzt zur Stärkung und zum Reifen dieses fortschrittlichen Volksblocks führen. Dem Slogan „Für ein anderes Griechenland – in einem anderen Europa“ muss programmatisch, politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich Substanz verliehen werden. Nur so ist es möglich einen sicheren Ausweg für Griechenland und sein Volk zu schaffen.

Lasst uns ein Jahr nach der Bewegung der Plätze ihre Botschaft hören: Wahre Demokratie, nationale Unabhängigkeit, soziale Befreiung.

Nehmt Euer Memorandum und raus hier!

Der neue Tag bringt eine andere Perspektive mit sich und lässt es zu, dass Hoffnungen sich erheben. Wir brauchen eine globale Sichtweise, Offenheit in unserem Denken und eine realistische Beurteilung der Widersprüche, die über diese Ecke Europas hinwegfegen, die jetzt von den Marktleuten gehasst wird: Eine Ecke Europas, genannt Griechenland.

 

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